Es ist die traurige Fortsetzung der #MeToo-Bewegung: Derzeit geht der Hashtag #WhyIDidntReport (zu Deutsch: „Wieso ich keine Anzeige erstattet habe“) im Netz viral. Hier berichten Frauen über ihre Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch.
Die Geschichte rund um den Hashtag #WhyIDidntReport begann bereits vor einigen Monaten. Der US-Präsident Donald Trump nominierte einen Mann namens Brett Kavanaugh als neuen Richter für den Surpreme Court. Kurz zur Einordnung: Es handelt sich um eines der höchsten Ämter im Land. Die Richter des Verfassungsgerichtes gelten als Gesetzeslenker. Aufgrund seiner äußerst konservativen Haltung ist eben jener Kavanaugh besonders bei den Demokraten umstritten. Bereits kurz vor seiner offiziellen Nominierung warf die heute 51-jährige Professorin Christine Blasey Ford dem 53-jährigen Richter versuchte Vergewaltigung vor. Anfang der 1980er Jahre soll der zwei Jahre ältere Kavanaugh gemeinsam mit Freunden die damalige Highschool-Schülerin auf einer Party sexuell missbraucht habe. Inzwischen haben sich zwei weitere Frauen zu Wort gemeldet, die ihm ähnliches vorwerfen.
#WhyIDidntReport: Der Tweet von Donald Trump
Kavanaugh weist alle Vorwürfe zurück. Und ihm zur Seite steht der US-Präsident. So twitterte Donald Trump: „Sollten die von Dr. Ford gemachten Anschuldigungen stimmen, bin ich mir sicher, dass sie oder ihre liebenden Eltern damals Anzeige bei der Polizei erstattet hätten.“
I have no doubt that, if the attack on Dr. Ford was as bad as she says, charges would have been immediately filed with local Law Enforcement Authorities by either her or her loving parents. I ask that she bring those filings forward so that we can learn date, time, and place!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 21. September 2018
Mit diesen zwei Sätzen stellt der Präsident die Glaubwürdigkeit der Professorin in Frage. Ansonsten hätte sie sich ja an jemanden gewendet, so die Metabotschaft. Dass tiefsitzende Scham und Angst Gründe dafür sein könnten, nicht öffentlich über das Erlebte zu sprechen, schließt Trump quasi aus. Mehr noch: Durch seinen Tweet spricht der Präsident allen Opfern sexueller Übergriffe ihre Probleme ab, und setzt ihnen eine Art Zeitlimit, über ihr Trauma zu reden.
Aus einem Hashtag wird eine Bewegung
Es dauerte nicht lange, bis eine Erwiderung kam: Trumps Annahme, Betroffene würden Übergriffe sexueller oder gewalttätiger Art bei der Polizei melden, wird nun durch den Hashtag #WhyIDidntReport widerlegt. Neben zahlreichen Prominenten äußern sich auch viele, die sich während der #MeToo-Debatte eher im Hintergrund hielten. Sie erzählen auf Twitter ihre bewegenden Geschichten. Dabei liegt der Fokus auf den Hintergründen, warum sie nicht zur Polizei gegangen sind oder warum sie erst jetzt sich trauen, darüber zu sprechen. Inzwischen haben sich unter #WhyIDidn’tReport zehntausende Frauen solidarisiert, um gemeinsam über das Thema zu reden.
He was the nephew of my father’s girlfriend at the time & was older & stronger than me. It started when I was 7 & I thought he’d hurt me more & that nobody would believe me. It took 4 years to break the silence. He was abusing other kids too, I later found out. #WhyIDidntReport
— deray (@deray) 21. September 2018
Because I didn’t want to lose my job or make people think I was a drama queen. #WhyIDidntReport
— Lili Reinhart (@lilireinhart) 21. September 2018
Hey, @realDonaldTrump, Listen the fuck up.
I was sexually assaulted twice. Once when I was a teenager. I never filed a police report and it took me 30 years to tell me parents.
If any survivor of sexual assault would like to add to this please do so in the replies. #MeToo https://t.co/n0Aymv3vCi
— Alyssa Milano (@Alyssa_Milano) 21. September 2018
#WhyIDidntReport Weil ich 17 und betrunken war. Weil ich erst mitgemacht habe, bis ich es nicht mehr wollte. Weil ich dachte, wer sowas anfängt muss es auch durchziehen – ich sei deswegen selbst schuld. Weil ich dachte, ich hätte mich nicht genug gewehrt als dass es zählen würde.
— Intramorus (@intramorus) 23. September 2018
Weil Missbrauch innerhalb der Familie oft totgeschwiegen wird. Weil die Erinnerungen diffus sind. Weil viele Reaktionen immer wieder waren „Bist du dir sicher, dass du dir das nicht einbildest?“. Weil man aufhört, sich selbst zu vertrauen. #WhyIDidntReport
— einevongestern (@einevongestern) 22. September 2018
#WhyIDidntReport my sexual assault.
I was living in a time when someone who identified as a gay teenager would NOT be taken seriously by the police.
I believed that I would be mocked & ridiculed for being gay.
I also felt it was MY fault.
I didn’t think they would believe me.
— Peter Morley (@morethanmySLE) 21. September 2018
When I was 16, I had pretty much the same experience as Ford. My (supportive & loving) parents still don’t know. At the time, I thought I might get in trouble for being there in the first place & also I was embarrassed & wanted badly to just forget. I never did. #WhyIDidntReport
— maura quint (@behindyourback) 21. September 2018
Mittlerweile über 100.000 Menschen auf Trumps Tweet geantwortet. Weltweit und nicht nur in den USA. Eine davon war die Schauspielerin Alyssa Milano. Lili Reinhart wiederum, die in der Netflix-Serie Riverdale, nutzte ihre Reichweite auf den Social Media Kanälen, um die Diskussion an die Millenials weiterzutragen. Und schon wurde aus dem Hashtag eine Bewegung.
Du musst mit jemandem reden oder brauchst Hilfe? Wende Dich an das kostenfreie und anonyme Hilfetelefon Sexueller Missbrauch: 0800-22 55 530.