Victoria van Violence: „Wenn die größte Krise, die größte Chance ist“

Victoria van Violence o-diaries

Das Tattoo-Model Victoria van Violence litt lange Zeit an einer Depression. Exklusiv auf O*Diaries berichtet die Influencerin, Unternehmerin und neuerdings Buchautorin über ihren Kampf mit der Depression und wie ihre Erkrankung zum persönlichen Kraftquell wurde.

„Time to break the Silence“ war die Überschrift meines Outings auf Facebook, welches zwei Jahre auf sich warten ließ. Die Angst, gebrandmarkt zu sein, ewig den Psycho-Stempel herum zu tragen und nicht mehr ernst genommen zu werden, hat mich dazu veranlasst, meine Erkrankung lange zu verheimlichen. Nun bin ich grundlegend auch kein Freund davon, alles nach außen zu tragen und im Netz zu besprechen. Viele Dinge sind nun einmal im Privaten besser aufgehoben.

Schnell wurde mir aber klar, dass Depressionen ein wichtiges Thema sind. Auf Parties wird hinter vorgehaltener Hand darüber gesprochen. Schon vor meinem „Outing“ bekam ich viele peinlich-berührte Nachrichten von Freunden und Bekannten, die Rat suchten oder sich einfach austauschen wollten. Ich kam an einen Punkt, an dem ich Notwendigkeit verspürte, öffentlich darüber zu sprechen. Ich hatte das Bedürfnis, all jenen Menschen, die sich für sich selbst und ihre Erkrankung schämen, zu sagen, dass sie nicht alleine und schon gar kein schlechterer Mensch sind. Und während ich öffentlich zu meiner Erkrankung stand und sogar Botschafterin für die Stiftung Deutsche Depressionshilfe wurde, habe ich im Privaten fleißig an mir gearbeitet und eine kleine Revolution durchlebt.

Victoria van Violence: „Wir sind alle nicht ganz knusper!“

Rückblickend kann ich sagen: An einer Depression erkrankt zu sein war für mich vor allem eines –eine riesengroße Chance. Ich bin mit 180 Sachen gegen eine Wand gefahren, musste mich selbst in eine Klinik einweisen und war auf meinem persönlichen Nullpunkt. Doch mir wurde schnell klar, dass das auch eine Wende sein kann. So eine Depression kann viele Auslöser und Ursachen haben, beispielsweise durch Fremdeinflüsse wie dem Tot einer nahestehenden Person. Auch der eigene Körper kann die Seele krank machen, beispielsweise durch einen Nährstoffmangel oder einer Störung der Hirnchemie. Häufig finden sich die Gründe für die Depression aber im Erkrankten selbst. Eigene Bedürfnisse hinten anstellen oder ein ungesundes Verhältnis zu sich selbst können mögliche Ursachen sein, um mit Vollgas in eine Depression zu rasseln. Nicht selten ist es ein buntes Potpourri an Verhaltens- oder Denkweisen, die letztlich das Fass zum Überlaufen bringen und somit krank machen können.

Bei mir lief also etwas schief und deswegen fühlte ich mich zu Beginn auch wahnsinnig schlecht. Aber Achtung, Spoiler: Bei jedem Menschen läuft irgendetwas schief. Wir haben alle unsere Unzulänglichkeiten und Problemchen. Die sind gar nicht weiter tragisch, denn der Ausspruch „nobody is perfect“ hat sehr wohl seine Daseinsberechtigung. Irren ist menschlich und nicht ganz knusper zu sein auch. Den eigenen Perfektionsdrang abzulegen und mich als Mensch zu sehen, mit Ecken und Kanten, war für mich wohl das größte „Aha-Erlebnis“ auf meiner Reise. Plötzlich war es völlig okay manchmal zu emotional zu sein oder abends lieber in Chipskrümeln auf der Couch zu liegen, als im Glitzerfummel auf der Tanzfläche zu stehen.

Victoria Violence O diaries

Mein Label „New Rose“: Von der Selbstablehnung zur Selbstliebe

Keine Frage: Ich musste mich oft am Riemen reißen, mir konsequent selbst die Leviten lesen. Aber grundsätzlich hat diese Erkenntnis das Leben um einiges erleichtert. Nach all den Tiefschlägen und dem negativen Selbstbild habe ich neuen Mut gefasst. Eine Depression führt nicht unbedingt zu massig Selbstvertrauen oder einem gesunden Selbstbewusstsein. Das musste ich mir wieder erkämpfen und dabei natürlich zahlreiche Niederlagen einstecken.

Doch ich konnte auch Erfolge feiern. In diesem Jahr schrieb ich mein erstes Buch. „Meine Freundin, die Depression“ erscheint Mitte September 2018 und mit dem Schreiben des Buches habe ich mir einen Lebenstraum erfüllt. Schon als Kind saß ich an Opas Schreibmaschine, habe fleißig Geschichten in die Tasten gehauen und während meines Germanistik-Studiums wurde der Drang immer größer, auch selbst mal ein literarisches Werk zu veröffentlichen. Was hält uns von unseren Träumen ab? Genau diese Frage habe ich mir gestellt und kam zu der Einsicht, dass ich mir viel zu oft selbst im Wege stehe. Mich begleitete stets das „Wenn-Dann-Denken“ und ich bremste mich so oft selbst aus.

Lange spukte mir der Gedanke im Kopf, selbst Kleidung zu machen, die so hergestellt wird, dass ich morgens noch in den Spiegel schauen kann.

Ich habe mich also endlich hingesetzt und angefangen zu schreiben. Leicht war das nicht immer, aber dieses erhabene Gefühl ein Buch geschrieben zu haben, das kann mir heute niemand mehr nehmen. Während des Schreib-Prozesses erfüllte ich mir noch einen anderen Traum: Ich gründete mein eigenes Klamotten-Label. Mit „The New Rose“ konnte ich mich endlich selbst verwirklichen und für mich wichtige Themen in einem Projekt verbinden. Ethical Fashion liegt mir persönlich sehr am Herzen und es mag mir nicht in den Kopf, wie Firmen sich feministische Slogans auf die Fahne schreiben, während Frauen zu schrecklichen Bedingungen die jeweiligen Textilien anfertigen müssen. Lange spukte mir der Gedanke im Kopf, selbst Kleidung zu machen, die so hergestellt wird, dass ich morgens noch in den Spiegel schauen kann. Natürlich geht nicht immer alles direkt und deswegen entwerfe ich zusammen mit einer Grafikerin aktuell vor allem Prints für Shirts und Beutel. Aber die eigene große Kollektion steht definitiv auch noch auf der Agenda.

Think big – dream big.

Ich habe mir selbst eine Zeit lang nichts mehr zugetraut, mich klein geredet und gedacht, ich bin zu nichts in der Lage. Letztlich durfte ich feststellen, dass Gedanken nicht zwingen der Realität entsprechen. Heute kann ich sagen: Ich wechselte vom Standstreifen mit angezogener Handbremse, mit Vollgas auf die Überholspur. Wir alle haben Träume und wir alle haben verdient diesen Träumen nachzugehen. Ein erfülltes Leben zu leben und Liebe zu empfangen. Von anderen, aber vor allem von uns selbst.

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