Sie ist die Frau, die auf der ganzen Welt für den Kampf gegen die grausame Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung einsteht. Im Interview mit O*Diaries spricht Autorin und Aktivistin Waris Dirie über Female Genital Mutilation (kurz FGM) und die Arbeit der von ihr gegründeten Desert Flower Foundation.
Liebe Waris: 2002 hast Du die Desert Flower Foundation gegründet – warum?
1997 hat mich UN Generalsekretär Kofi Annan zur UN Sonderbotschafterin im Kampf gegen FGM ernannt. Bald hatte ich aber das Gefühl, dass die UN nur ein Gesicht für dieses Thema brauchte, aber an wirklicher Aufklärungsarbeit nicht interessiert war. Deshalb gründete ich mit meinem Team die Desert Flower Foundation. Mittlerweile arbeitet unsere Organisation sehr erfolgreich in 11 Ländern und ist auf der ganzen Welt bekannt.
Worin genau besteht die Arbeit der Desert Flower Foundation? Erzähl uns doch bitte von ein paar Beispielprojekten.
Unser erstes großes Projekt von 2002 bis 2004 war eine Undercover Recherche in afrikanischen Communities in ganz Europa. Wir konnte nachweisen, dass FGM in Europa weit verbreitet ist.
Ich habe diese Recherche in meinem Buch „Schmerzenskinder“ verarbeitet und das „Desert Flower Manifest 2005″ mit unseren Forderungen an Politik, Behörden, Ärzte und Lehrerinnen veröffentlicht. Die Europäische Union hat daraufhin FGM erstmals auf ihre Agenda gesetzt. Ich sprach 2016 vor dem Ministerrat der EU und präsentierte unsere Recherche. Viele europäische Staaten haben danach Gesetze gegen FGM beschlossen und ich wurde von vielen Regierungen eingeladen, in Parlamenten darüber Vorträge zu halten.
2009 mit dem Erscheinen des Spielfilms „Wüstenblume“ in 54 Ländern, starten wir die Awareness Kampagne „Stop FGM Now“, die bislang größte Kampagne gegen FGM. Wir wurden dafür sogar von der deutschen Bundesregierung mit dem „Social Media Award 2010“ für die beste Kampagne einer NGO ausgezeichnet.
In Afrika unterstützen wir derzeit finanziell über 1000 Familien, die sich per Vertrag verpflichtet haben, ihre Töchter nicht beschneiden zu lassen und zur Schule zu schicken. Zudem bauen wir aktuell selbst unsere ersten „Wüstenblume“-Schulen. Nur über Bildung lässt sich FGM in Afrika nachhaltig bekämpfen.
Die Zahl der von Genitalverstümmelung betroffenen Mädchen und Frauen beläuft sich mittlerweile auf weltweit 200 Millionen. Warum wird diese Praxis trotz jahrzehntelanger Bemühungen von NGO‘s noch betrieben?
Das stimmt nicht ganz. Langzeitstudien, die erst kürzlich im angesehenen „British Medical Journal“ veröffentlicht wurden, beweisen, dass die Verbreitungsrate von FGM in ganz Afrika bei Mädchen unter 14 Jahren in den letzten 20 Jahren massiv rückläufig ist. Alleine in Ostafrika, woher ich komme, ist die Verbreitungsrate von 71,4% auf nur mehr 8% gesunken.
Das deckt sich auch mit meinen Erfahrungen, die ich bei meinen vielen Afrikareisen mache. Vor allem junge Mütter lassen ihre Töchter nicht mehr beschneiden.
Kann der Kampf je gewonnen werden?
Natürlich wird der Kampf gegen FGM gewonnen und ich werde das noch selbst erleben.
Du schreibst, dass es in Interviews immer wieder belastend ist, auf Genitalverstümmelungen und das Sexualleben angesprochen zu werden: Hast Du es jemals bereut, mit Deiner Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen zu sein?
Ja, das ist sehr belastend und für mich nicht einfach. Aber ich habe mir als kleines Mädchen in der Wüste nach der unsagbar grausamen Verstümmelung meiner Vagina geschworen, dass ich, wenn ich überlebe, eines Tages dagegen kämpfen werde und nicht aufgeben werde, bis der Wahnsinn ein Ende hat.
Was kann man als Einzelner tun? Insbesondere als Frau?
Jeder Mensch kann helfen. Beispielsweise indem er an meine Organisation Desert Flower Foundation für unsere Projekte in Afrika spendet. Man kann ein Patenmädchen unterstützen oder zum Bau einer „Wüstenblume“-Schule beitragen.
Was sind Deine Pläne und Wünsche für die Zukunft?
Ich arbeite wieder als Model und habe eben erst eine Fashion Kampagne mit dem bekannten britischen Fotografen Rankin in London geshootet.
Mit Rankin habe ich auch ein Video für meine neue „End FGM“-Kampagne produziert, die am 7. März online geht und mit der ich 10 Millionen Unterstützungsunterschriften sammeln will, um Politik und große Organisationen wie die UN wach zu rütteln. Denn die tun definitiv zu wenig, um FGM zu stoppen.
Womanizer™ unterstützt die Arbeit mit der Desert Flower Foundation: Wie fruchtbar ist für Dich die Zusammenarbeit der Marke mit Deiner Organisation?
In Zukunft setze ich mich mit meiner Desert Flower Foundation verstärkt für sexuelle Aufklärung an afrikanischen Schulen ein, denn die findet nirgendwo in Afrika statt. Wer sexuell aufgeklärt ist, wird seine Töchter mit Sicherheit nicht beschneiden lassen. Mit der finanziellen Unterstützung von Womanizer kann ich die ersten Schritte in die richtige Richtung setzen.
Liebe Waris, wir danken Dir für das Gespräch!