Jeder Körper ist anders. Klar. Und jeder Intimbereich auch. Das könnten wir einfach so hinnehmen, wir könnten auch stolz sein auf unsere Einzigartigkeit. Nö, stattdessen setzt sich unter uns Frauen ein gruseliger Trend durch: Vulva Shaming. Vulva bezeichnet übrigens den äußeren, sichtbaren Teil der Vagina. Und den finden wir hässlich. Oder unappetitlich. Und steuern damit schnurstracks auf ein verklemmtes Sexleben hin. Doch warum nur, fragt sich unsere Autorin…
Die Ursachen von sind extrem vielfältig
#1: Designergenitalien aus der Pornowelt
Wir leben in einer bildgewaltigen, sexualisierten Welt. Offenherzige Posts auf sozialen Kanälen, sexlastige Werbung und riesige Pornodatenbanken. Da werden Schönheitsideale propagiert. Und auch wenn sich immer mehr Frauen dazu entscheiden, einen natürlichen „Busch“ zu tragen: Durch den immer noch anhaltenden Trend zur knappen Intimhaarfrisur werden unsere Geschlechtsorgane gnadenlos ins Rampenlicht gerückt. Automatisch vergleichen wir uns und bekommen Komplexe.
Aber wie sieht die ideale Vulva aus? Na sie strahlt vor Jugendlichkeit! Sie ist dezent und symmetrisch. Die äußeren Schamlippen sollen bitte größer sein als die inneren – und wenn bei Frauen Ü30 der Hautton naturgemäß dunkler wird, geht sowieso die Welt unter.
#2: Eine gute Vulva ist unsichtbar!
Außerhalb des Schlafzimmers sollte eine Vulva ohnehin am besten gar nicht bemerkbar sein. Da muss Frau auch schon mal bei körperbetonter Kleidung aufpassen. Denn sobald im Schritt nicht alles ebenmäßig wie eine Barbiepuppe ist, gibt es dafür sogar einen Namen: Camel Toe. Kamelfuß. Hallo?
Zum Vergleich empfiehlt es sich, die Bronzestatue von Christiano Ronaldo anzusehen. Mit prachtvoller Riesenbeule unter der Fußballshorts. Was ist das? Ein Donkey Hanger? Eselsgehänge? Während die Ladies hoffen, dass man nichts sieht, werden die Jungs gefeiert für das, was die Natur ihnen geschenkt hat.
#3: Wenn Vaginas nur Muschis sind
Dass wir Frauen ein total gestörtes Verhältnis zu unserem Intimbereich haben, zeigt sich auch zigfach in unserem Sprachgebrauch. Kein Mann wird verschämt von seinem Schniedelwutz oder Piephahn reden. Das tun maximal Elfjährige. Erwachsene Frauen stammeln dagegen von ihrem Röschen oder ihrer Mumu. Wow.
#4: Schimpfworte und schlechte Witze
Zu viele Bezeichnungen für Vaginas sind negativ und die despektierlichsten gereichen gar als Schimpfworte für ätzende Leute. Ja, Fotze, du Pussy! Penisse belegen wir lieber mit heroischen, positiven Vokabeln: Hammer, Latte, bestes Stück.
Und es geht noch weiter. Gibt es schlechte Witze über den Eigengeruch von Schwänzen? Eher nicht. Vaginas dagegen sind Fischläden. Darüber lacht schon jedes Kind. Ist aber totaler Unsinn, denn fischiger Geruch ist allerhöchstens die Folge von bakteriellem Ungleichgewicht und zumeist sehr leicht zu beheben.
#5: Die Vagina als sterile Zone
Es bringt allerdings nichts, nur den Männern die Schuld zu geben. Denn wir Ladies hauen ja freudig in dieselbe Kerbe. Unter dem Hashtag #Pantychallenge posteten Frauen eine Zeit lang Bilder ihrer blitzsauberen Slips und sagten: Ich habe selbstverständlich keinen Ausfluss! Auweia.
Und dann mischt auch noch die Kosmetikindustrie mit: Dass Gerüche, Sekrete und Haarwuchs nicht tolerierbar sind, zeigt uns schon das monströse Angebot an Intimpflegeprodukten für Frauen in jedem Drogeriemarkt. Dann muss da ja was dran sein, oder? Nö! Denn eigentlich besteht gute Intimpflege nur aus dem regelmäßigen Reinigen mit lauwarmen, klaren Wasser.
Vulva Shaming nimmt uns den Spaß am Sex!
Kein Wunder, dass die meisten Frauen an ihrer Vulva irgendetwas nicht in Ordnung finden. Damit zerstören sie ihre komplette Erotik. Denn mit einem miserablen Körperfühl lässt sich kaum befreit vögeln. Licht aus beim Sex – und Oralverkehr bitte sowieso nicht. Es könnte ja jemand angewidert sein…
Durchbrechen wir die Muster von Vulva Shaming
Wir müssen uns einmal klarmachen, wie elementar eine Vagina ist. Ausscheidungsorgan, Reproduktionswerkzeug und natürlich Lustzentrum! Dafür hat sie doch enorme Wertschätzung verdient. Und Respekt. Und Hingabe! Denn die Vulva ist ein Wunderwerk. Hören wir auf, unsere Vagina und Idioten mit den gleichen Worten zu beschimpfen. Und hören wir auf, sie lebenslang zu verniedlichen.
Schönheit der Vielfalt! Die „Vulva Gallery“ zeigt es uns.
Machen wir uns bewusst, dass optische Verschiedenheit schön ist! Hier empfiehlt sich das wunderbare Buch „The Vulva Gallery“ von Hilde Atalanta. Die Illustratorin zeichnet nach realen Vulva-Fotos wunderschöne Genitalportraits in Aquarell. Absolut sehenswert!
Wissen hilft gegen Vulva Shaming. Und Dankbarkeit!
Merken wir uns ein für alle Mal: Eine Vagina ist nicht ekelig. Intimgeruch ist nicht ekelig, zumindest bei einem Normalmaß an Körperpflege. Im Gegenteil: Menschen, die uns begehren, stehen sogar drauf! Ausfluss: das Produkt einer gesunden, natürlichen Selbstreinigung. Menstruation: nicht peinlich. So funktioniert eben die Sache mit dem Leben.
Und als Allerletztes: Ohne Vaginas wäre es langweilig. Ohne Vaginas hätten wir null Spaß. Und ohne Vaginas wären wir alle gar nicht hier.