Den Millennials wird ja so einiges nachgesagt: Sie seien faul, hätten keine Vorstellung von der Zukunft und nur Partys und Selfies im Kopf – um nur ein paar Vorurteile zu nennen. Eine neue Studie möchte nun auch festgestellt haben, dass die 20 bis 24-Jährigen kaum noch Sex hätten. Was ist los in den Betten der Generation Y? Unsere Autorin zur Sexualität der Millenials…
Sexualität der Millenials: Alles halb so schlimm?
Mit den Studien und populistischen Aussagen ist das ja immer so eine Sache – reißerische Themen und Inhalte werden geklickt und zu jeder Studie gibt es eine weitere, die das Gegenteil behauptet. Ich halte es für ganz natürlich, dass sich das Sexualverhalten von Generation zu Generation verändert, denn schließlich sind Gesellschaften nicht starr. Sie unterliegen einem stetigen Wandel. Es lohnt sich dennoch einen Blick auf die Sexualität der Millenials und das Sexleben der Jugendlichen zu werfen, um negative Tendenzen frühzeitig zu erkennen.
Staatsfeind Nr. 1 – die Medien
Der wohl am stärksten wirkende Motor unserer Gesellschaft sind die Medien. Insbesondere den sozialen Medien kommt hier eine schizophrene Rolle zu. Denn obwohl es nie leichter war, Menschen kennen zulernen und mit ihnen zu kommunizieren, läuft eben diese Kommunikation verstärkt virtuell ab. Zudem üben unrealistische Schönheitsideale, die auf Instagram und Co. propagiert werden, großen Druck aus. Unsicherheit und Perfektionszwang können die Heranwachsenden in die sexuelle Trägheit treiben.
Das sagt unsere Expertin
Auch Dipl.-Psychologin und unsere Expertin fürs Zwischenmenschliche Nicole Engel sieht in den Medien Fluch und Segen zugleich: „Wir leben in einer Zeit, in der Sex bis ins Kleinste befreit scheint, in der es unzählige Ratgeber zum Thema gibt, das Internet keine sexuelle Präferenz auslässt und die Medien kaum sexuelle Tabus kennen. Das ist zum einen wunderbar, denn warum sollte man weiterhin eines der selbstverständlichsten Themen nur hinter verschlossenen Türen besprechen? Dennoch fällt es Menschen oft sehr schwer, sich erfüllt mit ihrem intimsten Lebensbereich auseinander zu setzen – und gerade junge Leute zählen dazu. Die Medien und das Internet suggerieren, dass Polyamorie, offene Beziehungen oder die wildesten Sexualpraktiken eher den Status Quo als die Ausnahme darstellen. So gehen junge Menschen mit einem erhöhten Leistungsdruck häufig davon aus, dass sie bereits in sehr jungem Alter, alles ausprobiert, mitgemacht haben müssen und dass das unter Peers sehr normal sei.“
Sexual Overload – überfordert von zu viel Sex
Man muss kein Internet-Genie sein, um sich im Web einen Porno anzusehen. Der fast ungehinderte und ungefilterte Zugriff der Sexfilme schafft in den Köpfen der Millennials ein unrealistisches Bild von Erotik und Geschlechtsverkehr. Sexmessen, auf denen es sogar Live-Shows gibt, wären vor 20 Jahren sicherlich undenkbar gewesen. Selbst die allgegenwärtige Werbung schafft Illusionen, die fern sind von jeglicher normaler Sexpraxis. Eine Art Verrohung könnte der Grund, für die mögliche sexuelle Enthaltsamkeit der jungen Erwachsenen, sein. Unsere Sexualtherapeuten Nicole Engel sieht hier ebenfalls einen Zusammenhang: „Diese Praktiken entsprechen oft nicht der sexuellen Reife von manchen jungen Menschen. Sie helfen nicht unbedingt dabei, eine emotionale Bindung zu einem Partner bzw. einer Partnerin aufzubauen oder sich tatsächlich mit seinen eigenen persönlichen Vorlieben auseinander zu setzen und sich wirklich verbunden mit sich, dem eigenen Körper und einem anderen Menschen zu fühlen. Oftmals sind dann „Beziehungsunfähigkeit“ oder fehlende sexuelle Erfüllung die Folge. So kann dies ggf. eine Ursache sein, weshalb Sex eher auf der Strecke bleibt. Oder aber der Leistungsdruck im Hinblick auf die Vielfalt an sexuellen Möglichkeiten – die durch die Medien suggeriert werden – führt dazu, dass manche junge Menschen sich dem nicht hingeben möchten. Aus Ängsten, diesen vermeintlichen Anforderungen nicht gerecht werden zu können und daher nicht sexuell aktiv sind.
Sexualität der Millenials: Keine voreiligen Schlüsse, bitte!
Jedoch: Kann es nicht auch durchaus sein, dass die Generation Y viel tiefgründiger ist als wir es ihr zutrauen? Vielleicht springen die Millennials eben nicht so schnell miteinander in die Kiste. Vielleicht daten sie sich erst einige Male, um dann festzustellen, dass sie sich doch etwas länger aufsparen möchten. Sexuell selektiv zu sein ist eine vollkommen legitime Eigenschaft und kann auf vorsichtiges und nachhaltiges Verhalten schließen lassen. Zudem besteht die realistische Möglichkeit, dass sich die Heranwachsenden zu erst mit ihrer eigenen Sexualität beschäftigen bevor sie sie mit einem Partner teilen. Ich denke, dass Selbstbefriedigung und die eigenen Bedürfnisse für die Millennials eine sehr wichtige Rolle spielen und sie uns vielleicht in dieser Hinsicht sogar einiges voraus haben. Das wäre zumindest einmal ein Gedanke, den man zulassen sollte – bevor man „die Millenials“ einmal mehr verteufelt.