Offene Beziehung Erfahrung: Das ist nichts für Feiglinge

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Eine offene kann eine Bereicherung sein, aber auch eine Qual. Sie kann sexuelle Grenzen sprengen und zugleich seelische Begrenzungen aufzeigen. Unsere Autorin berichtet, wie der Sex mit anderen ihre Partnerschaft gerettet hat – aber auch ihre Eifersucht sie zur Verzweiflung brachte.

„Ich möchte eine offene Beziehung führen“, sagt mein Mann. Ich bin entsetzt. Verletzt. Verängstigt. Wir sind seit einer gefühlten Ewigkeit zusammen, ein Herz und eine Seele, junge Eltern, doch kaum noch Liebhaber. „Ich liebe Dich und begehre Dich“, sagt er. „Aber ich brauche mehr Sex“. Ich weine die ganze Nacht und auch noch die nächste.

Seit zwei Jahren bin ich Mutter und Sex ist mir so wichtig wie die Steuererklärung. Man macht sie, will aber nicht. Auch nach dem Abstillen hängt das Baby im wahrsten Sinn des Wortes immer noch an mir. Mein Bedarf an Körperkontakt ist mehr als erfüllt. Und wenn ich abends nach 12 Stunden Baby-Haushalt-Job ins Bett falle, wünsche ich mir nur noch eines: keinerlei Berührung mehr.

Offene Beziehung mit offenen Karten?

Ich kann meinen Mann nur allzu gut verstehen. Er fühlt sich zurückgewiesen, unbefriedigt und seiner Geliebten beraubt. Ich weiß, dass er mit mir nicht darüber reden würde, wenn er nicht wirklich Notstand hätte. Ihm geht es darum unsere Beziehung zu retten. Und ich bin ihm dankbar dafür. Statt mich zu betrügen, spielt er mit offenen Karten. Chapeau. Ich willigte daher ein. Unter zwei Bedingungen. 1) Ich will nichts davon mitkriegen und 2) Er soll nichts tun, was unsere Beziehung gefährdet.

Es gibt aber noch andere Regeln, die geklärt werden müssen:

  • Willst Du die Gespielin kennen lernen?
  • Wo darf der Sex stattfinden?
  • Darf er über Nacht/Wochenende wegbleiben?
  • Dürfen es nur One-Night-Stands sein?
  • Darf er sich nicht verlieben?
  • Und natürlich: Safer Sex, mit Kondom wegen Geschlechtskrankheiten, ist Voraussetzung!

Mehr Appetit auf Sex

Unsere offene Beziehung geht wirklich gut. Ich merke gar nichts. Na gut, vielleicht will ich auch nichts bemerken. Mein Mann ist entspannt, ausgeglichen und sehr vergnügt. Er bedrängt mich nicht mehr täglich mit Blicken, Gesten und sexy Geschenken. Ich kann mich entspannen, fühle mich nicht mehr unter Druck, bekomme sogar wieder Appetit auf Sex.

„Ich darf ja auch“, schießt es mir eines Tages durch den Kopf. Bisher habe ich noch gar nicht daran gedacht, dass die offenen Beziehung ja auch für mich gilt. Ich war so in meiner Mutterrolle gefangen gewesen. Nun, nach vier Jahren werde ich wieder zur Frau. Waxing, Dying und Fucking stehen plötzlich wieder auf meiner Agenda

Die neue Freiheit

Doch da ist auch die Angst. Würden meine Fantasien unsere Beziehung ruinieren? Immerhin träume ich von Sex mit Frauen… Es braucht eine ganze Weile, bis ich den Mut finde, meine Fantasien Wirklichkeit werden zu lassen. Ich mache Tantra und gehe auf Frauenpartys. Ich küsse Frauen und liebe es. Nach zehn Jahren Beziehung neue Dinge auszuprobieren, befeuert mich. Doch dann der Schock.

Mein Mann erzählt mir von seinen Sex-Dates. Er will mir von seinen Erfahrung erzählen, um mich wieder näher an sich ranzuholen. Ich bin fassungslos. Von seinem Geständnis – aber auch von meiner Reaktion. So lange ich nix gewusste hatte, konnte ich mir einreden, wie cool und locker ich bin. Doch jetzt zerreißt es mich vor Eifersucht. Minderwert, Selbstzweifel überschwemmen mich. Waren sie schöner? Geiler? Jünger? Ich will mich nicht mit diesen Gedanken quälen, aber es geht nicht.

Eine offene Beziehung ist nichts für Angsthasen

Mein Mann hat das Problem nicht. Er freut sich für mich, wenn ich tollen Sex hatte. So unterschiedlich können Menschen sein. Und damit sind wir bei einer wichtigen Erkenntnis: Für eine offene Beziehung braucht es viel Ehrlichkeit. Vor allem zu sich selbst. Man muss sich und dem anderen seine Ängste und Gefühle zeigen können – auch wenn es nicht schön ist. Eine offene Beziehung ist nichts für Feiglinge.

„Du bist meine Königin“, sagt er vor seinen Dates.

Eine weitere Voraussetzung ist die Kommunikation. Eine offene Beziehung ist mühsam, aufwändig und gesprächsintensiv. Was willst du? Wo sind meine Grenzen? Wie fühlt sich das für mich an? Man muss Dinge ausprobieren, vielleicht sogar scheitern, um es dann anders wagen können. Es braucht viel Mut: Die Partner müssen bereit sein, ihren ganz individuellen Weg zu finden – mit viel Aaaahs und Auaaas.

Haben wir die offene Beziehung wieder geschlossen? Auch wenn es absurd klingt: Nein. Die offene Beziehung tut mir letztendlich gut, sie inspiriert mich. Wir haben viel ausprobiert, erforscht, sind aus der eigenen Komfortzone heraus und gewachsen. Das hat jeden reifen lassen und auch den gemeinsamen Sex bereichert.

Ich liebe Tantra und Slow Sex. Er dominiert seine Partnerinnen gerne – was für eine spannende Art von einander Neues zu lernen. Und für meine Eifersucht haben wir auch Wege gefunden. „Du bist meine Königin“, sagt er vor seinen Dates. Oder vor dem Heiratsantrag, den er mir kürzlich gemacht hat.

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Autor

Frieda arbeitete für mehr als 10 Jahre als Journalistin. Sie schrieb über Osterrezepte und Stilikonen, über den menschlichen Stoffwechsel und Michelin-besternte Restaurants. Kurzum: Sie schrieb über alles. Bis auf Sex. Und das aus gutem Grund. Lange hielt Frieda sich für durchschnittlich sexuell und überließ das Expert*innenwissen lieber anderen. Bis eine Trennung sie bewog, die Pille nach 14 Jahren abzusetzen. Da war Frieda 28. Und erst zu diesem Zeitpunkt entdeckte sie ihre wunderbare Sexualität neu. Und ihre wahre, echte, hungrige, einzigartige Libido. Seitdem praktiziert sie Sex nicht nur auf eine ganz neue Art und Weise. Sie schreibt und spricht auch darüber. Und war noch nie so erfüllt wie heute!